Weihnachten - das Fest der Liebe, des Konsums und natürlich des unmäßigen Fressens. Gleich vorweg: Meine Kohlenhydratspeicher sind zum Bersten gefüllt. In vier Tagen bei Muttern habe ich mir zwar im Thüringer Wald die Füße vertreten; das Triathlon-Training existierte über die Feiertage aber höchstens in meinem Kopf. Das einzige, was ich trainierte, waren meine Kaumuskeln. Höchste Zeit, mit Fenja die Laufschuhe zu schnüren und ein gepflegtes Stündchen durch die Landschaft zu traben.
Die ersten 100 Meter kamen wir vor lauter Quatschen gar nicht ins Rennen. Es gab ja auch jede Menge Neuigkeiten: Wer hat wann wie viel gegessen (ich), wie viel gefeiert (Fenja), wie viele Gemüseregale eingeräumt (Fenja) und wie viele Pflegeminuten ins Pflegepferd investiert (ich). Das Knie, mein ewiges Sorgenkind, war brav. Auch, als wir uns eintrabten und schließlich aufgewärmt zur Schillerhöhe hochschnieften.
Wir wählten den gepflegten Trab über die Selbstmord-Brücke zum Stadtteil Hörnle. Dann, mitten in Fenjas Ausführungen von der Weihnachtsparty, Weltuntergangsparty und der geplanten Geburtstagsparty hinein, meldete sich meine Blase. Und zwar so vehement, dass ich kurzerhand eine etwa 30% ige Steigung nahm, um außer Sichtweite zu kommen. Schließlich lässt man sich ungern beim Pinkeln beobachten und mein knallrotes Laufdress ist auch im tiefsten Unterholz bei einsetzender Dämmerung bestens auszumachen. Was schreib ich, Unterholz! Hier gibt´s ja nicht mal Überholz. Mal fix "in die Büsche" kann man nicht, es sind ja keine da. Es gibt: geteerte Feldwege, nach Gülle stinkende Felder, den ein oder anderen Weinberg und vereinzelt ein paar Schrebergärten und Bäume. Geeignete Pinkelstellen sind also sehr selten. Ich konnte also mit meinem schlammigen, von einzelnen Hölzern geschützten Hügel schön zufrieden sein, auch wenn Fenja nach der Kraxel-Aktion meinte: "Noch zwei Minuten und ich hätt ´ne Vermisstenanzeige aufgegeben." Dazu kam es ja glücklicherweise nicht. Erleichtert und ein bisschen angekühlt ging´s weiter. Ein lockeres, einstündiges 8km-Ründchen mit viel Geschnatter, das in einer Dusch-Session bei mir endete.
Während Fenja das Bad in Beschlag nahm, versuchte ich, mich an längst vergessene Yoga-Übungen zu erinnern. Dehnen ist ja SO wichtig. Und Yoga tut SO gut. Erkenntnis des Tages: Ich bin unendlich steif. Mit fast 26 Jahren habe ich es zur Geschmeidigkeit einer übergewichtigen Mittfünfzigerin gebracht. Alles kracht, knackt und schmerzt. Der erste "Sonnengruß" war eine Qual. Beim zweiten Mal ging´s besser. Beim dritten Mal sah ich, dass der Mafiaboss aus der Pizzeria gegenüber durchs Fenster schaute, während ich den "Berg" vollführte. Es blieb bei 2 1/2 Versuchen und ich verlegte die dilettantischen Übungen auf den Boden. Immerhin fühlte ich mich nachher besser als vorher, ganz falsch war´s wohl nicht. Wie immer holte mich die Erkenntnis ein, dass "man ja eigentlich immer dehnen sollte". Mach ich jetzt immer. Ganz bestimmt. Ich ziehe aber vorher die Vorhänge zu.